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Darts-SportPfeile gegen eine deutsche Institution

Wenn in der Berliner Dartsliga Türken und Kurden mitmachen, kann es in einer Gastwirtschaft schon mal ungemütlich werden.

Darts ohne Kneipe: Turnier im englischen Portsmouth, Juni 2025 Foto: ProSportsImages/imago

W enn ich erzähle, dass ich in einem Dartsteam in der Berliner Amateurliga spiele, werde ich meist ausgelacht. Vielleicht nicht ganz so sehr wie dafür, dass ich Fußball für den taz Panter FC spiele – ein Team mit konstanter Niederlagenserie: fünf Spiele, fünf Niederlagen diese Saison. Aber trotzdem: Lacher. Denn Darts sei kein gar richtiger Sport. Für viele ist es absurd, stundenlang in einem verrauchten Raum kleine Pfeile aus Plastik und Wolfram zu werfen. Man schwitzt doch nur wegen zu viel Bier und schlechter Luft. Selbst im Ursprungsland England wurde Darts erst 2005 offiziell als Sport anerkannt.

Die glorreichen Weltmeisterschaften, die heute von Millionen Menschen verfolgt werden, sind weit beeindruckender als das, was in den Kneipen geschieht. Der Rauch brennt in den Augen, nur gelangweilte Gäste sehen zu, die Spiel­automaten klimpern im Hintergrund und natürlich wird getrunken. Die meisten Spieler wirken, als hätten sie das Lokal seit zehn Jahren nicht verlassen.

Wenn man Sport mit Gesundheit und Fitness verbindet, dann ist Darts eher ein Anti-Sport. Und trotzdem: Es braucht Taktik, Rechenkunst, Präzision und viel Training. In der Liga erzählen viele wehmütig von dem einen Mal, als sie eine 180 warfen (dreimal die Triple-20) – etwas, das bei Profis so leicht aussieht. Eine 180 ist wie ein seltenes Tier, das man in den Kneipen kaum sichtet.

Bei dem Versuch, eine verletzungsfreie Freizeitbeschäftigung zu finden, fing ich vor etwa zwei Jahren mit Darts an. Ein Dartsteam zu gründen, hatte ich nicht geplant, aber ein paar Freunde, die oft in einer Kreuzberger Kneipe rumhingen – ermutigt vom türkischen Wirt, der früher selbst Darts spielte –, formten schließlich das einzige nicht-deutsche Team der Liga. Das brachte einige Spannungen mit sich, da viele Gegner außerhalb eines Dönerladens noch nie einer Gruppe von Türken und Kurden begegnet waren, geschweige denn in einem für sie so bedeutungsvollen Ort wie diesem gegen sie spielen würden.

In der Kneipe gehört nicht jeder einfach dazu

Einige freuten sich ehrlich über die neue Diversität. Trotzdem hörten wir Sätze wie: „Aber ihr trinkt doch?! Während des Ramadan?“ oder „Boah, was ist das für ein Name? Ich nenn dich anders.“ Meist war das harmlos. Idioten gibt es überall. Aber das ständige Gefühl, bereit sein zu müssen, um einen Freund zu verteidigen, weil der Gegner etwas Dummes sagen könnte, machte den Sport anstrengender. Nach einem Spiel meinte einer, dass er zwar nichts dagegen habe, wir aber vielleicht nicht ständig Türkisch sprechen sollten, da es andere Gegner stören könnte – was im Grunde bedeutete, dass es ihn doch störte. Das sagte ich ihm.

Wie immer, wenn ein Deutscher des Rassismus verdächtigt wird, fließen dann plötzlich Tränen der Empörung, und es folgen absurde Versuche, das Gegenteil zu beweisen: „Ich war Lehrer in Neukölln mit vielen türkischen Schülern!“ oder „Ich bin halb Kroate!“

Diese ständige Erinnerung daran, dass wir nicht dazugehören, half meiner Lernkurve, die ohnehin recht schnell stagnierte, nicht gerade, weshalb ich bald zu den schlechtesten Spielern im Team gehörte. Ich hatte es auch satt, mehrmals die Woche in einer verrauchten Kneipe zu sitzen. All das wurde durch einen Unfall verschlimmert, bei dem mein rechter Mittelfinger dauerhaft krumm blieb – was meine 180-Würfe endgültig unmöglich machte (nicht, dass ich vorher je eine geworfen hätte). Also hörte ich in der Liga auf. Heute gehe ich nur noch ab und zu zum Anfeuern vorbei. Dank ein paar Neuzugängen spielt das Team mittlerweile besser denn je.

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